SERVICE DE DOCUMENTATION DES REDACTIONS DE L'IMPRIMERIE SAINT-PAUL




Erscheinungsdatum: 29.07.2000
Objekt: Luxemburger Wort
Ressort: Lokales Varia
Seite: ex_s15_00_07_29
Verfasser: NILLES Roger
Lino-JobNr: 1001887
Ausgabe: 174-2000

„Little Luxembourg“ in der Neuen Welt erleben

Erzbischof Mgr Fernand Franck zu Besuch bei den Nachfahren der Luxemburger Einwanderer in Amerika

Sie versuchen das wertvolle Erbe zu pflegen. Die Nachkommen der Luxemburger Einwanderer im ländlichen „Midwest“ sind bestrebt, auch in der vierten und fünften Generation die Erinnerung „un deemols“ wachzuhalten. Kein leichtes Unterfangen, haben ihre Vorfahren zum Teil bereits vor über 150 Jahren das Großherzogtum verlassen. Unterschiedlich gut ist demnach das Erinnerungsvermögen ausgeprägt, stolz auf ihre luxemburgische Herkunft aber sind eigentlich alle. Erzbischof Mgr Fernand Franck besuchte Mitte Juli verschiedene luxemburgische Gemeinschaften in den Bundesstaaten Ohio, Iowa, Wisconsin und Illinois und wurde Zeuge davon, dass „little Luxembourg“ in den Vereinigten Staaten auch heute noch eine feste Größe ist.Roger Nilles

Beatrice Krier drückte Erzbischof Fernand Franck zwei Kassetten in die Hand. „Society members talk Lëtzebuergesch“, lautete die handschriftliche Aufschrift. 35 Mitglieder der „Luxembourg Society of Wisconsin“ erzählen ihre Geschichte auf „Letzebuergish“. Nicht das Luxemburgisch von heute, in dem nicht selten deutsche, französische und englische Wörter vermengt werden, sondern die etwas rauhe und bäuerliche Sprache von damals. Ihre Geschichten beginnen zumeist Mitte des 19. Jahrhunderts irgendwo ... in Luxemburg. „Meng Grousselteren waren all zu Lëtzebuerg gebueren ... mengem Papp säi Papp koum vu Lëtzebuerg“, erzählt Orville Arendt, der heute in Belgium lebt. „Mäi Papp war de Nicholas Ronk. Mengem Papp säi Grousspapp koum 1848 an dest Land“, weiß Art Ronk, 80, zu berichten. „Ech sinn 100 Prozent e Lëtzebuerger-Amerikaner“, erklärt Lloyd Croatt nicht ohne Stolz. „Äis Grousseltere koume vun engem klengen Duerf no bei Réimech, no bäi der Musel. A vun noo bei Bartréng“, so Bertram und Verena Burmesch Wester. Man merkt ihnen sichtlich die Freude an, mit „echten“ Luxemburgern die Sprache der Heimat zu sprechen, und doch ist es wohl die letzte Generation, die des moselfränkischen Dialekts in der Neuen Welt noch mächtig ist. Fast alle, die Luxemburgisch können, sind über 65 Jahre alt, stellt Beatrice Krier fest.

Immer wieder werden bekannte Ortsnamen genannt: Eischen, Echternach, Junglinster, Sterpenich, Dahlem, Messancy, Grevenmacher, Steinfort, Limpertsberg, Esch/Alzette, Olm,... Auch die Familiennamen sind dem Gast aus Luxemburg geläufig: Rassel, Thill, Uselding, Birenbaum, Feider, Feyereisen, Watry, Schmitz... Ihnen allen galt der offizielle Besuch von Erzbischof Mgr Fernand Franck Mitte Juli in den Vereinigten Staaten von Amerika. Viele, die vor 150 Jahren nach Amerika auswanderten, hofften auf ein besseres Leben als in dem armen Luxemburg. Die Verbindungen mit „doheem“ aber rissen nicht ab. Einige wurden wohl auch vom Drang nach Abenteuer getrieben: Auf zu neuen Ufern! Etwa ein Drittel der Bevölkerung (sprich 72 000 Luxemburger) wanderte zwischen 1841 und 1891 aus, vornehmlich nach Nordamerika und Frankreich. Was sie nach Amerika brachten? Ihre Kultur, ihre Traditionen und ihre Religion, und hier im besonderen Maße ihre Marienfrömmigkeit, ihre Arbeits- und Bauweise.

Statue der Trösterin
der Betrübten seit 125 Jahren
im Bundesstaat Ohio
Anlass der Reise des Oberhauptes der katholischen Kirche Luxemburgs waren zunächst die Feierlichkeiten zum 125. Geburtstag der Basilika und des nationalen Heiligtums von „Our Lady of Consolation“ in Carey, Ohio. Johann Peter Gloden, geboren in Remerschen, war als junger Priester mit zahllosen Zeitgenossen nach Amerika ausgewandert. In den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts übernahm der Geistliche aus Berwick (Frenchtown) die Betreuung des sieben Meilen entfernten Ortes Carey. Dieser ermutigte die wenig zahlreichen Einwohner, den Bau der Kirche voranzutreiben und sie der Trösterin der Betrübten zu weihen. Nicholas Warnimant aus Berwick, ein junger Einwanderer, der zu einer Reise zu seiner Familie in Belgien aufbrach, wurde angewiesen, eine Statue der „Consolatrix“ in Luxemburg in Auftrag zu geben. Im Frühjahr 1875 kehrte Warnimant mitsamt der Statue zurück. Diese wurde vorläufig in der Pfarrkirche in Frenchtown aufgestellt, bevor sie in einer beeindruckenden Prozession und unter wundersamen meteorologischen Bedingungen am 24. Mai 1875 nach Carey gebracht wurde.

Recht bald kamen erste Pilger nach Carey, um bei der Muttergottes Trost zu suchen. Erzählungen von Heilungen und unerklärlichen Zeichen machten schnell die Runde. Früh wurde der Bau einer großen Pfarr- und Wallfahrtskirche geplant, diese sollte allerdings erst 1925 konsekriert werden. Seit 1912 betreuen die Franziskaner die umfangreiche Wallfahrtsstätte, die heute neben der alten und der neuen Kirche, das Franziskanerkloster, ein großes Pilgerheim, Rasthäuser, ein Restaurant und den obligaten „gift-shop“ sowie eine große Parkanlage mit einem Kreuzweg beinhaltet.

Wie vor 125 Jahren machten sich am vergangenen 16. Juli, gegen Mittag, erneut etwa 200 Pilger mit der Statue der Muttergottes von Frenchtown aus in Richtung Carey auf den Weg, zunächst angeführt auf der 7-Meilen-Prozession entlang der weiten Maisfelder von Erzbischof Mgr Fernand Franck, Father Peter Damian, Direktor des „National shrine“, und Carlo Krieger, Legationsrat der Luxemburger Botschaft in Washington, der maßgeblich für die hervorragende Organisation der bischöflichen Reise verantwortlich zeichnete.

(Fortsetzung auf Seite 16)




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Erscheinungsdatum: 29.07.2000
Objekt: Luxemburger Wort
Ressort: Lokales Varia
Seite: ex_s16_00_07_29
Verfasser: NILLES Roger
Lino-JobNr: 998662
Ausgabe: 174-2000

„Little Luxembourg“ in der Neuen Welt erleben

(Fortsetzung von Seite 15)

„Ich komme als Pilger“
Zuvor war der Luxemburger Erzbischof während eines feierlichen Gottesdienstes in der großen Basilika auf die Geschichte der Statue der „Consolatrix Afflictorum“ in Luxemburg eingegangen und hatte die Bedeutung der Person Mariens und ihre Vorbildfunktion hervorgehoben. Er selbst sei als Pilger aus Luxemburg nach Carey gekommen, hob Mgr Franck hervor, um Maria für deren mütterlichen Schutz zu danken.

Am Vorabend hatten die Einwohner des 3000-Seelen-Städtchens dem Oberhaupt der Luxemburger Ortskirche einen warmen Empfang bereitet. Dallas K. Risner, Bürgermeister von Carey, proklamierte den 15. und 16. Juli 2000 als „his Excellency Fernand Franck, Archbishop of Luxembourg, Days“. Auch das „Ohio House of Representatives“, Bob Taft, Gouverneur des Staates Ohio, und Mitglieder des US-Senates hatten in ihren Schreiben die Präsenz von Mgr Fernand Franck begrüßt, dies 25 Jahre nachdem Bischof Jean Hengen zur 100-Jahr-Feier des „National Shrine“ nach Amerika gereist war.

Weitere Stationen der bischöflichen Reise im Bundesstaat Ohio waren Cleveland, Toledo und Columbus, wo ehemalige Studenten der Miami University ihn empfingen.

St. Donatus – ein lebendiges Stück altes Luxemburg
Während in Carey, Frenchtown und Umgebung die Erinnerung an die Einwanderergeneration langsam, aber scheinbar unaufhaltsam abzunehmen scheint, fühlt man sich in St. Donatus, Iowa, heimisch. Hier, unweit von Dubuque, wo Mgr Fernand Franck Erzbischof Jerome Hanus einen Besuch abstattete, und wenige Meilen vom Mississippi entfernt, braucht es nur wenig Phantasie, um sich inmitten der „Eislécker Koppen“ zu glauben. Alte Häuser aus Naturstein heben sich von den typisch weißen, sturmanfälligen Holzbauten ab, der Bach trägt den merkwürdigen Namen „Tete des Morts“, am Ortseingang deutet ein Schild „Historic Luxembourg Village“ die Geschichte an.

Als „Little Luxembourg in America“ verstehen sich die weniger als 200 Einwohner des kleinen, an einer unscheinbaren Kreuzung gelegenen Dorfes am Highway 52, auf halber Strecke zwischen Dubuque und Bellevue. Ihr Motto „Mir wella bleiwe wat mir sin!“ lässt bereits erahnen, dass man hier im Jackson County nicht gewillt ist, die eigene Herkunft zu verleugnen oder die europäische Kultur aufzugeben.

John Noel war im Jahr 1838 der erste Siedler im „Tete des Morts“-Tal. Zehn Jahre später hatte sich eine beträchtliche Anzahl Luxemburger Familien hier niedergelassen. Nicholas Gonner, Chronist und Verfasser der „Luxembourger Gazette“, wies in seinem 1889 verfassten Buch „Luxemburger in der Neuen Welt“ etwa 1 000 Luxemburger Familien im Staat Iowa aus. 18 Steinhäuser, die schöne Dorfkirche, der Kreuzweg und die „Bildchen“-Kapelle sind der ganze Stolz der „Luxemburger“, die der „St. Donatus Luxembourg Heritage Society“ bzw. der „Luxembourg Society of Iowa“ angehören.

„Treipen“
und „Bildchen“-Kapelle
Dem Besucher fallen zunächst zwei Häuser rechts und links der Main Street auf. Das steinerne Gehlen-Haus (ursprünglich von Péiter Gehlen aus Olm gebaut), das in den Jahren 1996 und 1997 mit Luxemburger Unterstützung renoviert wurde, ist heute ein gemütlicher „Bed and Breakfast“-Halt, der ebenso wie der museal anmutende Laden vom dynamischen Duo Judy Nemmers und Kim Simon geleitet wird. In der vierten Generation – seit fast 150 Jahren – bietet die „Kalmes Family“ gleich gegenüber Speis und Trank an, so auch Luxemburger Spezialitäten – „Treipen“ gibt es hier zum Frühstück! Die „Luxemburger“ hatten im „Kalmes Restaurant“ zu einem gemeinsamen Essen mit Erzbischof Mgr Fernand Franck geladen. „Gepotert“ wurde auf Luxemburgisch, sprachliche Lücken wurden nahtlos durch Englisch ergänzt.

Nach seiner Ankunft in St. Donatus hatte Mgr Franck zunächst den malerisch gelegenen Kreuzweg, der 1861 unter der Leitung von Pfarrer Michael Flammang aus Koerich gebaut wurde, die „Bildchen“-Kapelle, die St.-Donatus-Kirche, das kleine Dorfmuseum – mit einem eigenen Luxemburger Raum – sowie den Friedhof besichtigt. Auf dem nahen Gottesacker liegt u.a. Father Flammang begraben. Am darauf folgenden Tag feierte der Erzbischof zusammen mit der Gemeinschaft Gottesdienst in der Kirche, die u.a. eine Statue von „Our Lady of Luxembourg“ birgt, die Mgr Jean Hengen der Pfarrei 1986 geschenkt hatte.

Luxemburgische Siedlungen
und die Erinnerung
an Bernard J. Cigrand
Begeistert wurde Erzbischof Fernand Franck am selben Tag ebenfalls in Port Washington im Staat Wisconsin, am Ufer des Lake Michigan, von den Mitgliedern der gut organisierten „Luxembourg Society of Wisconsin“ empfangen. Während eines Gottesdienstes zusammen mit Father Don Schmidt und Father Kevin Wester in der Lake Church (Léiker Kierch) erhielt Mgr Fernand Franck aus den Händen von Arthur Uselding, 90, ein Video-Film vom Besuch von Bischof Léon Lommel vor 35 Jahren. Ein ergreifender Augenblick war ebenfalls der Gesang des Marienliedes „O Mamm, léif Mamm“.

Unter der Leitung von Beatrice Krier und Mary Wester Thill stand am Nachmittag ein umfangreiches Programm im Ozaukee County an. Grüne Herzchen als Zeichen, dass Luxemburg das grüne Herz Europas darstellt, begleitete die Gruppe als Wegweiser während der Fahrt. Besichtigt wurde u.a. die Kirche St. Mary in Port Washington und der private Genealogieraum mit zigtausenden Namen von Luxemburger Einwanderern im Städtchen Belgium, bevor es durch die „Ardennen“-Straße zur St. Nicholas Church ging. Höhepunkte des Nachmittags waren anschließend der Besuch in der Stony Hill School in Waubeka, in der der Luxemburger Einwanderersohn Bernard J. Cigrand, Begründer des ebenso populären wie patriotischen „Flag day“, als Lehrer wirkte, sowie die Besichtigung des Pioneer Village, wo als „Luxemburger Beitrag“ das schmuck eingerichtete Sinnen-Haus steht. Vor dem Cigrand Memorial konnten Erzbischof Mgr Fernand Franck sowie die Mitglieder der Society eine neue Cigrand-Büste bestaunen, die von Georges Calteux, Direktor des „Sites et monuments“, angefertigt und zum diesjährigen „Flag day“ eingeweiht wurde. Zurzeit bereiten die „Luxemburger“ in Wisconsin die 14. Auflage des „Luxembourg Fest of Belgium“ vor, die am 12. und 13. August stattfindet. Der Abend wurde mit einer Begegnung mit Erzbischof Rembert Weakland in Milwaukee abgeschlossen.

Vom ländlichen Amerika
in die Großstadt
Letzte Station der offiziellen Reise von Erzbischof Mgr Fernand Franck zu den Luxemburgern in Amerika war ab dem 20. Juli die Region in und um Chicago, wo die meisten Einwanderer Luxemburger Ursprungs (im ländlicheren Norden von Chicago) angesiedelt sind. Dort wurde er von Generalkonsul Donald Hansen und dessen Ehegattin empfangen und während seines Aufenthalts – unterstützt von der „Luxembourg Brotherhood of America“ – begleitet. Nach einer Begegnung mit Francis Cardinal George in dessen Residenz stand zunächst eine Stadtrundfahrt durch die beeindruckende Metropole an, mit u.a. der Michigan Avenue, dem Quigley Seminary, dem Museum Campus und dem Freizeitpark Navy Pier. Am Abend traf das Oberhaupt der katholischen Kirche in Luxemburg im 95. Stockwerk des Hancock-Gebäudes mit Mitgliedern der Luxemburger Gemeinschaft zusammen. In den beiden darauf folgenden Tagen machte er u. a. Abstecher zur Marmion Abby, wo er mit Luxemburger Geistlichen und Ordensleuten sprach, sowie zu Luxemburger Pfarreien, u. a. St Henry's, St. Nik's und St. Margaret Mary's. Am Samstag nahm der Erzbischof an einer weiteren Prozession zu Ehren der Trösterin der Betrübten teil und stand dem anschließenden Gottesdienst vor.




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Erscheinungsdatum: 8.07.2000
Schlagwort: GEO:AMERIKA:NORDAMERIKA:USA:WISCONSIN / FEIERTAG:GEDENKTAG:FLAG DAY - USA:TAG DER FLAGGE - USA:TAG DER FAHNE - USA / AUSWANDERUNG:ÉMIGRATION:LUXEMBURGER IM AUSLAND
Objekt: Telecran
Ressort: TC-Reportage
Seite: Flaggs T28
Verfasser: Marteling Luc
Person: CIGRAND Bernard J. + — Begründer des "Flag Day" in den USA, Einwanderersohn, 1866 * - 1932 +
Lino-JobNr: t3251
Bearbeiter: tcvandivinitrenee
Ausgabe: 28-2000
Bearbeitungsdatum: 10.07.2000

Bernard J. Cigrand, Father of the Flag Day

Ehre, wem Ehre gebührt!

Er war ein glühender Bewunderer der amerikanischen Fahne und machte den 14. Juni zum nationalen "Tag der Flagge". Bernard J. Cigrand, Sohn luxemburgischer Einwanderer in die USA, schrieb dort Geschichte. Noch heute feiern die Amerikaner "seinen" Tag mit Pomp und Patriotismus.

Keine Frage, die Amerikaner lieben ihre Fahne. So scheint es nur logisch, dass die Amis einmal im Jahr den "Tag der Flagge" feiern: Am 14. Juni wird den Nationalfarben gehuldigt. Das obligatorische Brimborium findet am nächstgelegenen Sonntag statt, also mal ein paar Tage vor dem offiziellen Termin, mal ein paar Tage danach.

In diesem Jahr war das farbenprächtige Spektakel für den 11. Juni anberaumt. Die gröëten Paraden dürften wohl in Wisconsin und Illinois stattgefunden haben, zwei Bundesstaaten des nördlichen Mittleren Westen. Hier lebt die Mehrheit der Nachkommen der luxemburgischen Auswanderer in die "United States of America". Und aus deren Mitte stammt der geistige Vater des amerikanischen "Flag Day". Sein Name: Bernard John Cigrand.

Von Luxemburg nach New York

Mitte des 19. Jahrhunderts waren viele Menschen in Mittel- und Westeuropa unzufrieden mit ihrer Lebenssituation. àœberall flammten soziale Konflikte auf, große gesellschaftliche Umwälzungen bahnten sich an. Für viele, die nicht warten wollten, kam der Ruf aus Übersee gerade recht: Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, lockte. Luxemburg machte da keine Ausnahme. Schätzungen zufolge sind zwischen 1845 und dem Ersten Weltkrieg über 70000 Menschen ausgewandert. Das ist fast ein Viertel der damaligen Bevölkerung.

Unter denen, die die àœberfahrt wagten, war auch der 21-jährige Nicolas Cigrand, ein gelernter Schmied aus Burglinster. Er hatte sich in Antwerpen eingeschifft und war am 6. Mai 1852 in New York vom Schiff "Koophandel" gestiegen. Dreieinhalb Monate später, am 19. Juli 1852, kam die Familie Schmidt aus Mensdorf zusammen mit Tochter Susanne in New York an. Am 15. April 1856 geben sich Nicolas Cigrand und Susanne Schmidt das Jawort. Die Hochzeit findet in Waubeka statt. Der kleine Ort hat seinen Namen von einem Indianer-Häuptling des Sauk-Stammes. Waubeka liegt im Ozaukee-County (ebenfalls ein Indianername) im nordamerikanischen Bundesstaat Wisconsin, was übersetzt soviel bedeutet wie"große Wasseransammlung".

Waubeka liegt auf halber Strecke zwischen Chicago im Süden und Green Bay im Norden. Die Gegend wird von den Einheimischen "The Green Heart of Luxembourg in Wisconsin" genannt, gibt es hier doch nicht weniger als sieben Dörfer, die nachweislich von Luxemburgern gegründet wurden. Ein Durchschnittseuropäer verbindet mit der Groëregion allerdings kaum mehr als die Chicago Bulls, ehemaliger Basketball-Verein von Michael Jordan, oder das Football-Team der Green Bay Packers, die 1999 den Superbowl gewannen.

Ein Multitalent

Am 1. Oktober 1866 erblickt Bernard John Cigrand als sechstes Kind der Luxemburger Einwanderer Nicolas und Susanne Cigrand-Schmidt in Waubeka das Licht der Welt. Im Alter von 15 Jahren wird dem jungen Mann erstmals eine Stelle als Lehrer angeboten. Er lehnt ab, bildet sich fort und beginnt erst als 19-Jähriger mit dem Unterrichten. Seine Schule liegt etwas auëerhalb von Waubeka. Sie ist als "Stony Hill School" in die amerikanischen Geschichtsbücher eingegangen.

Am 14. Juni 1885 hält B.J. dort zusammen mit seinen Schülern den ersten offiziell anerkannten "Observance of the Flag Day" ab. Seine Bewunderung für die Vereinigten Staaten von Amerika bekundet er mit einer kleinen Fahne, die aus einer Flasche auf seinem Pult ragt. Seine Abschlussklasse lässt der junge Lehrer einen Aufsatz über die Bedeutung des 14. Juni 1777 schreiben. An dem Tag hatte der amerikanische Senat beschlossen, dass die Flagge der Vereinigten Staaten aus 13 abwechselnd roten und weiëen Streifen in Verbindung mit 13 weiëen Sternen auf blauem Grund bestehen soll. Die 13 steht für die Zahl der Bundesstaaten, die die Vereinigten Staaten gründeten. Nachdem die Amerikaner am 4. Juli 1776 ihre Unabhängigkeit erklärt hatten, konnten sie 1777 den englischen Truppen eine vorentscheidende Niederlage zufügen.

Politiker und Patriot

Bernard Cigrand sieht in der amerikanischen Flagge ein nicht zu unterschätzendes Symbol für die Einheit des Staates - nach dem Trauma des Sezessionskrieges von 1861 bis 1865 war ein solches auch dringend erforderlich. 1886 beendet er seine Lehrerkarriere, um das Studium der Zahnheilkunde aufzunehmen. Er wird ein überaus erfolgreicher Zahnarzt und hält Vorlesungen an mehreren Hochschulen.

Im Laufe der Jahre intensivieren sich Bernard Cigrands Bemühungen, den 14. Juni landesweit als "Tag der Flagge" anerkennen zu lassen. Er verfasst unzählige Artikel über die Symbolkraft der amerikanischen Fahne, plädiert in öffentlichen Reden für die Einführung des Flag Day, schreibt Bücher über die Bedeutung des 14. Juni 1777. Eine regelrechte Kampagne, der er dank seines politischen Engagements in der demokratischen Partei, seiner akademischen Karriere und seiner zahlreichen öffentlichen à„mter in Chicago landesweit Gehör verschafft.

Flag Day 2000

Cigrand erntet Lob und Anerkennung, unter anderem vom US-Präsidenten Theodore Roosevelt. Am 30. Mai 1916 ist er am Ziel seiner Bemühungen angekommen. Präsident Woodrow Wilson erklärt den 14. Juni zum Flag Day, indem er verkündet: "Die Flagge erhebt ihren Anspruch darauf, von allen Nationalitäten der Welt verehrt und von niemandem gefürchtet zu werden, der Recht tut." Bernard J. Cigrand stirbt am 16. Mai 1932 im Alter von 65 Jahren.

Mit der Ankunft der Weiëen war die jahrhundertealte Kultur der Indianer dem Untergang geweiht. Die "neue" Geschichte Nordamerikas reicht für europäische Verhältnisse nicht weit zurück. Den Amis ist das egal. Sie lieben und feiern ihre kurze Vergangenheit, die von Einwanderern unterschiedlichster Kulturen geprägt wurde. Dies erklärt, wieso die amerikanische Flagge in Waubeka ausgerechnet am Flag Day Konkurrenz erhalten darf: Zu den "stars and stripes" gesellt sich das luxemburgische Rot-Weië-Blau.

Die "Luxembourg Society of Wisconsin", an deren Spitze die 79-jährige, überaus emsige Beatrice Krier steht, wird nicht müde, an die luxemburgischen Wurzeln des Flag Day zu erinnern. Im Millenniumsjahr konnte sie auëergewöhnlich viele Besucher aus dem Groëherzogtum willkommen heiëen. Ein kulturelles Pilotprojekt zwischen Luxemburg und den USA hatte dies ermöglicht. Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten stand, wie könnte es anders sein, Bernard J. Cigrand. Anhand alter Fotografien hatte Georges Calteux, Direktor des "Service des Sites et Monuments Nationaux", eine Büste aus Lehm entworfen, die vom Ettelbrücker Atelier Mola in Bronze gegossen wurde. Die Plastik, die Cigrand in Originalgröße zeigt, wurde am 11. Juni 2000 offiziell enthüllt. Sie steht vor dem Flag-Day-Museum in Waubeka.

An der typisch amerikanischen Zeremonie nahmen auch die luxemburgische Botschafterin in Washington, Arlette Conzemius, und Botschaftsattaché Carlo Krieger sowie der amerikanische Botschafter in Luxemburg, James C. Hormel, teil. Mady Durrer und Léopold Winandy überbrachten musikalische Grüëe aus dem Groëherzogtum. Sie trugen nicht nur die "Heemecht", sondern auch eine englischsprachige Ballade über das Leben und Wirken von Bernard Cigrand vor. Den Text von Jemp Schuster hatte der luxemburgische Botschafter in Straëburg, Jerry Philipps, vertont. Die Ballade, die auf der CD "Dir & Mir" der"Troaterbattien" erschienen ist, erklingt übrigens auch, wenn man sich der Statue auf ein paar Schritte nähert. Besucher erhalten so auf spielerische Weise Einblicke in Cigrands Biografie. Für viel umjubelte Einblicke in die luxemburgische Folklore sorgten nicht zuletzt die Darbietungen der Tanzgruppe "D'Heesprénger". Kurzum, bei der Flag Day Observance 2000 zeigten auch die Luxemburger Flagge. Für die Amerikaner war das einfach nur "great"!

Lebendige Vergangenheit

"Wëllkomm to Belgium, Home of Luxembourgers" ist auf dem Schild zu lesen. Es steht 150 km nördlich von Chicago mitten im US-Bundesstaat Wisconsin. In der Gegend leben noch immer viele Nachfahren luxemburgischer Einwanderer. Bis heute halten sie die Erinnerung an die "alte" Heimat wach. Bei allem Patriotismus werden die eigenen Wurzeln nicht vergessen. Als Besucher aus dem Groëherzogtum wird man denn auch oft gefragt, ob das Luxemburgisch sei, was man da rede. Nicht selten trumpft der Fragesteller dann selbst mit ein paar Brocken unserer Landessprache auf. Auch untereinander pflegen die "Alt-Luxemburger" gute Beziehungen. Es gibt mehrere Vereinigungen und einmal im Monat erscheinen die "Luxembourg News of Amerika". Um den Erhalt des multikulturellen Erbes bemüht sich auch die "Historical Society of Port Washington".

Nach dem Flag-Day-Event verkündete eine regionale Tageszeitung stolz auf Seite Eins, es hätten zahlreiche Ehrengäste aus Luxemburg, "a tiny European country", daran teilgenommen ... Wer sich von der lebendigen Vergangenheit überzeugen möchte, der sollte am 13. August 2000 in Waubeka aufkreuzen. Dort findet dann das alljährliche "Luxembourg Fest" statt.

Surftipps:

www.travelwisconsin.com

Sie wollen wissen, in welchem Teil der USA Wisconsin liegt? Das und vieles mehr erfahren Sie hier.

www.co.ozaukee.wi.us

Wissenswertes über den Ozaukee-County im US-Bundesstaat Wisconsin.




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Erscheinungsdatum: 6.08.2000
Objekt: Letzeburger Sonndesblad
Ressort: Sonndesblad
Seite: sb32_s06_00_08_06
Verfasser: NILLES Roger
Lino-JobNr: 1004805
Ausgabe: 32-2000



„The green heart“
in der Neuen Welt

Father Kevin Wester (links) und Father Don Schmidt zusammen mit Erzbischof Mgr Fernand Franck und zahlreichen Nachfahren der Luxemburger Einwanderer vor der „Léiker Kierch“Der Luxemburger Einwanderersohn Bernard J. Cigrand lehrte in der „Stony Hill School“ in Waubeka. Mgr Fernand Franck drückte bei seinem Besuch für kurze Zeit die alte Schulbank. Zum diesjährigen „Flag day“ erhielten die Verantwortlichen des „Cigrand Memorial“ eine neue Büste von Cigrand aus Luxemburg.

Ein „must“ ist ebenfalls die Besichtigung des alten Friedhofs mit den Gräbern der luxemburgischen Einwanderern und den ersten Nachfolgegenerationen. Mgr Fernand Franck verharrte u.a. einen Augenblick am Grab von Reverend J. Michael Flammang, der von 1858 bis 1883 Pfarrer in St. Donatus war.

Der „Kalmes Store“ und das „Gehlen-Haus“, beide an der Main Street, erinnern heute noch am stärksten an die Luxemburger Einwanderergeneration. Das „Gehlen-Haus“ wurde ursprünglich von Péiter Gehlen aus Olm gebaut und erfuhr in den Jahren 1996 und 1997 größere Renovierungsarbeiten, dies mit Unterstützung aus Luxemburg. Heute ist das Haus ein „Bed and Breakfast“-Halt (die Zimmer tragen Luxemburger Ortsnamen), in früheren Zeiten fungierte es u.a. als Hotel, Lebensmittelgeschäft, Post, Tankstelle, Familienhaus oder Museum.

Die „Luxemburger“ luden den Erzbischof am Abend zu einer Begegnung in das Haus der „Kalmes Family“ auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein. Seit fast 150 Jahren ist dies sowohl der Treffpunkt für die Einwohner von St. Donatus als auch eine beliebte Haltestelle für Autofahrer. Luxemburger Spezialitäten wie „Treipen“ oder Wiener Schnitzel (!) stehen hier auf der Speisekarte und werden zum Teil bereits zum Frühstück aufgetischt.

Am darauffolgenden Morgen feierte Erzbischof Franck zusammen mit den Dorfbewohnern Gottesdienst in der St.-Donatus-Kirche, die 1858 erbaut wurde und seit 1986 eine Statue der „Consolatrix“ beherbergt, die Mgr Jean Hengen der Pfarrei geschenkt hatte. Nach einem kurzen Besuch in der nahe gelegenen St. John's Lutheran Church brach das Oberhaupt der Luxemburger Ortskirche nach Port Washington, eine 10 000-Einwohner-Stadt am Lake Michigan, auf. Dort wurde er am Abend von Mitgliedern der „Luxembourg Society of Wisconsin“ willkommen geheißen.

Auf den Spuren
von Bernard J. Cigrand
Wie in St. Donatus begegnete Mgr Franck auch hier zahlreichen, vornehmlich älteren Menschen, die der luxemburgischen Sprache noch mächtig sind. Am nächsten Tag feierte der Erzbischof zusammen mit Father Don Schmidt, Father Kevin Wester und der Gemeinde Luxemburger Nachfahren in der Lake Church (Léiker Kierch) Gottesdienst, bevor am Nachmittag unter der Leitung von Beatrice Krier und Mary Wester Thill ein umfangreiches Besichtigungsprogramm anstand. Den Weg durch das Ozaukee County säumten grüne Herzchen als Zeichen dafür, dass Luxemburg das grüne Herz Europas darstellt. Während der zweiten Auswandererwelle zog es viele Luxemburger – wenigstens 250 Familien – in den Ostteil des Bundesstaates Wisconsin, näherhin nach Port Washington, Belgium, Lake Church, Fredonia, Waubeka, Holy Cross und Dacada.

Die Figur des Bernard J. Cigrand stand im Mittelpunkt des Nachmittags. Der Sohn Luxemburger Einwanderer, ein renommierter Zahnarzt, wurde in den Vereinigten Staaten zum Begründer des patriotischen „Flag day“. Lebenslang führte er seinen „Kreuzzug“ zugunsten der offiziellen Anerkennung des 14. Juni. Besichtigt wurden die „Stony Hill School“ auf dem „Schumacher's Hill“ bei Fredonia, wo Cigrand als Lehrer unterrichtete, das Grab seiner Eltern – Nikolaus Cigrand stammte aus Bourglinster – und das Cigrand-Memorial mit dem neu amenagierten Vorplatz und einer neuen Cigrand-Büste.

Weitere Stationen waren die Kirche St. Mary in Port Washington, der Genealogie-Raum von Beatrice Krier, Präsidentin der „Luxembourg Society of Wisconsin“, die St. Nicholas Church und das Pioneer Village, wo als „Luxemburger Beitrag“ das Sinnen-Haus steht. Am Abend fand dann eine Begegnung mit Erzbischof Rembert Weakland in Milwaukee statt, bevor die Reise südlich entlang des Lake Michigan in Richtung Chicago führte.

In den ländlicheren, nördlich von Chicago gelegenen Gemeinden siedelten die Luxemburger im 19. Jahrhundert in großer Zahl an. Besuche in verschiedenen Pfarreien, Zusammenkünfte mit Mitgliedern der Luxemburger Gemeinschaft und mit aus Luxemburg stammenden Priestern und Ordensleuten standen hier auf dem Programm. Begleitet wurde der Erzbischof während seines Aufenthalts in Chicago von Generalkonsul Donald Hansen und dessen Ehegattin.

Eigene Identität unter gewandelten Voraussetzungen

Der Besuch bei den Nachfahren der Luxemburger Siedler in den Vereinigten Staaten ist eine Reise in die „aktualisierte Vergangenheit“. Natürlich begegnen einem zahllose Spuren „vun deemols“. Alte Häuser aus Naturstein, tradierte Marienfrömmigkeit, luxemburgische Kost, Einwohner, die den moselfränkischen Dialekt noch beherrschen, Hunderte von Anekdoten und Geschichten..., und doch ist selbst der ländliche „Midwest“ dem Wandel der Zeit unterlegen. Die Zeiten, wo Luxemburger in den „States“ nur unter sich den Bund der Ehe schlossen sind definitiv vorbei, die Zahl jener, die Luxemburgisch können, nimmt ab, die Erinnerung an die Einwanderergeneration wird schwächer.

Und doch bemühen sich die verschiedenen Luxemburger Vereinigungen in Nordamerika mit Erfolg, ihre Identität zu wahren. Häuser ihrer Vorfahren werden in Stand gesetzt, Genealogien werden erstellt, luxemburgische Feste werden gefeiert und das reiche Erbe aufgewertet. Zahlreiche Reisen nach Luxemburg unterstreichen das Interesse an ihrer Herkunft. Dass auch Luxemburg die Nachfahren der Auswanderer nicht vergessen hat, dafür lieferte nicht zuletzt der Besuch des Erzbischofs einen Beweis. Ein Besuch, der die Luxemburger Vereinigungen in ihren Bestrebungen zum Erhalt ihres Erbens ermutigt und gestärkt haben dürfte. „The green heart“ in der Neuen Welt, es lebt!

Roger Nilles